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Der Sturm |
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Die Frage, was der STURM ist, scheint längst beantwortet: Sei es in der aphoristischen Form, Der STURM ist Herwarth Walden, die Lothar Schreyer, einer der zentralen Mitarbeiter am STURM-Werk, August Stramm, dem wohl bedeutendsten Dichter des STURM, in den Mund legt. Die Einschränkung scheint längst beantwortet, hat jedoch noch immer ihre Berechtigung: Trotz einer Vielzahl von Veröffentlichungen zum STURM ist das Bild, das sich vom STURM im Licht der Forschung, der Erinnerung von Beteiligten, den Urteilen von Freunden und Gegnern gewinnen lässt, alles andere als klar umrissen. Lediglich die Bedeutung des STURM im Rahmen der Entstehung und Entwicklung des literarischen Expressionismus ist allgemein von den Zeitgenossen und auch der literaturwissenschaftlichen Forschung anerkannt. Einige Äusserungen von an der expressionistischen Bewegung Beteiligten mögen als Beleg stehen. Ernst Blass schreibt in seinem Aufsatz Das alte Cafe des Westens: Es gab damals Zeitschriften mit speziellerem Humus: Der ,Sturm' von Herwarth Walden, die ,Aktion' von Franz Pfemfert, der ,Pan' von Wilhelm Herzog. Dort erschienen Dinge, die uns angingen und anregten. Kaffeehaus-Extrakte, in zwangfreien, marktfreien Nächten empfangen. Dort blühte der Mut zum Abseitigen, Inwendigen. Ähnlich heisst es bei Alfred Richard Meyer: Man kann sich heute beim besten Willen nicht mehr vorstellen, mit welcher Erregung wir abends, im Cafe des Westens oder auf der Strasse vor Gerold an der Gedächtniskirche sitzend und bescheiden abendschoppend, das Erscheinen des ,Sturm' oder der ,Aktion' erwarteten, nicht so sehr auf den Rausch des Gedrucktseins bedacht als vielmehr scharf nach der Möglichkeit lugend: mit Worten angegriffen zu sein, die wie Ätzkalk oder Schwefelsäure wirken konnten. Diese Äusserungen zum STURM setzen natürlich nicht erst mit den Erinnerungen der Zeitgenossen ein, sondern gleich nach der Gründung der Zeitschrift. Einer der engsten Vertrauten des STURM-Herausgebers Walden, Karl Kraus, schreibt kurze Zeit nach Erscheinen der Erstausgabe: Der STURM hat das Zeug, eine wirkliche Revue zu werden, wie sie Deutschland noch nicht hatte. (Brief an Herwarth Walden, datiert 19./20.III.1910); ein gutes halbes Jahr später heisst es bei René Schickele: Ich halte die Zeitschrift noch immer für das einzige Blatt, wo man Gewagtes drucken lassen kann. (Brief an Herwarth Walden, datiert 24.X.1910); und nach eineinhalb Jahren STURM schreibt Kurt Hiller: Sie wissen, dass ich den "STURM" respektiere als eines der wenigen Blätter in Deutschland, die von den Zeitungen unabhängig sind, das sich auch um die schlechten Instinkte der Leser nicht kümmert. Auch diese drei Einschätzungen äusserst kritischer Künstler - allesamt vorübergehend Mitarbeiter am STURM - sind nur exemplarische Beispiele: Die Liste von Elogen liesse sich fast beliebig fortsetzen. Natürlich gibt es aus Künstlerkreisen auch geringschätzige Urteile, entstanden häufig aus Rivalitäten zwischen dem Kreis um den STURM-Herausgeber und anderen Gruppierungen; sie tragen jedoch eher den Charakter von Privatfehden, als dass sie die Bedeutung der Zeitschrift ernsthaft in Frage stellten; verwiesen sei hier als ein Beispiel auf die Fehde Walden - Pfemfert, in deren Verlauf Walden von Pfemfert u. a. als ausgebleichter Somali-Neger und Schiessbudenfigur und der STURM als zeitweilig erscheinende Druckschrift diffamiert werden. Die Einschätzung des STURM-Werks durch die zeitgenössischen Künstler verändert sich rapide, als sich zum einen der STURM vehement für die moderne Kunst engagiert, und zum anderen - etwas später - auf der Basis einer sich allmählich entwickelnden STURM-Ästhetik eine typische STURM-Dichtung entsteht, die von einer neuen Dichtergeneration getragen wird. Der STURM wird zum exklusiven Forum einer Reihe z. T. noch sehr junger Künstler, die Walden für die ihnen zuteilgewordene Förderung emphatisch danken, für den STURM überschwengliche Lobpreisungen finden und versprechen, ihr Äusserstes für das STURM-Werk zu geben. Ganz zu Beginn seiner Kontakte zu Walden schreibt beispielsweise Lothar Schreyer: Ich glaube, dass es für ihre grosse Förderung meiner Kunst nur einen Dank gibt: mich in neuer Arbeit immerzu beweisen. Das will ich tun. Ich freue mich, dies in der Theaterschule des "STURM" zu dürfen. Ich weiss mich eins mit Ihren Forderungen an das Theater und glaube, dass heute nur durch den "STURM" die Bühnenkunst geschaffen werden kann. (Brief an Herwarth Walden, datiert 3.VI.1916) Noch weit enthusiastischer klingt das Bekenntnis zum Sturm bei Kurt Liebmann: Mit all meinen Kräften werde ich für die verpflichtende Aufnahme in den STURM danken, mit all meinen Kräften für ihre Sache, für meine Sache, für die Kunst arbeiten. (Brief an Herwarth Walden, datiert 23.IX.1917) Auch Kurt Schwitters äussert seine Dankbarkeit in nahezu gleicher Weise: Anna Blume verdanke ich viel. Mehr noch verdanke ich dem STURM. Der STURM hat meine besten Gedichte zuerst veröffentlicht und meine Merzbilder zuerst in Kollektion gezeigt.
Kategorie: Books Hersteller: Traugott Bautz
118,00 CHF
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