Gesammelte Briefe. |
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Am 19. September 1919 - etwa drei Monate nach dem Doktorexamen - schrieb Benjamin an seinen Freund Ernst Schoen: »An das Thema: Briefwechsel, liessen sich verschiedene Digressionen anschliessen. Erstens darüber, wie sehr diese unterschätzt werden, weil sie auf den völlig schiefen Begriff des Werkes und der Autorschaft bezogen werden, während sie dem Bezirk des ›Zeugnisses‹ angehören, dessen Beziehung auf ein Subjekt so bedeutungslos ist, wie die Beziehung irgendeines pragmatisch-historischen Zeugnisses (Inschrift) auf die Person seines Urhebers. Die ›Zeugnisse‹ gehören zur Geschichte des ›Fortlebens‹ eines Menschen und eben, wie in das Leben das Fortleben mit seiner eignen Geschichte hineinragt, lässt sich am Briefwechsel studieren. Für die Nachkommenden verdichtet sich der Briefwechsel eigentümlich (während ›der einzelne‹ Brief mit Beziehung auf seinen Urheber an Leben einbüssen kann): die Briefe, wie man sie hintereinander in den kürzesten Abständen liest, verändern sich objektiv, aus ihrem eignen Leben. Sie leben in einem andern Rhythmus als zur Zeit da die Empfänger lebten, und auch sonst verändern sie sich.« Wenn auch der unmittelbare Anlass dieser Überlegung Benjamins Lektüre der beiden Briefwechsel Goethes mit dem Grafen Reinhard und mit Knebel war, so lässt sich doch in ihr ein für den Briefschreiber Benjamin programmatischer Charakter erkennnen.
Kategorie: Books Hersteller: Suhrkamp
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